Sonntag, 12.Mai 2013 – Beni – Butembo
Wir brechen um 8:00 Uhr im Konvoi nach Butembo auf. Erfreulicherweise regnet es nicht, sodass die miserable Strasse dorthin wenigstens nicht rutschig ist. Nach anderthalb Stunden sind wir ordentlich durchgeschüttelt und erreichen den Ortseingang von Butembo, wo uns die Honoratioren der Stadt in unfreiwillig komischer Aufmachung erwarten. Vor allem der Bürgermeister hat es mir angetan. Mit seiner blau-gelb-grünen Schärpe über dem schwarzen Anzug wäre er eine Bereicherung für jeden Monty Python-Film. Aber auch in Werner Herzogs’ „Fitzcarraldo“ würde er ein hervorragendes Bild abgeben. Überhaupt: Irgendwie muss auch hier das Schiff wieder mal über den Berg. Selbstverständlich begleitet uns der Mann, dem sich unser Botschafter selbstlos widmet, den ganzen Tag über. So kriegt der Bürgermeister dann schließlich auch nach all den Jahren mal das Fepsi-Hospital zu sehen, welches noch immer auf seine staatliche Anerkennung als Krankenhaus wartet. Komplizierter Vorgang, denn dann gäbe es ja offizielle Zahlen bezüglich der pro Monat vergewaltigten Frauen. Solange es die nicht gibt, kann man ja immer noch behaupten, es gäbe gar keine Vergewaltigungen in dieser Gegend. So ähnlich wie es in der ehemaligen DDR ja auch keine Neonazis gegeben hat. Fepsi ist eine lokale, von Frauen für Frauen geführte NGO, die von der Welthungerhilfe gefördert wird. 2009, als ich zum ersten Mal das Fepsi-Krankenhaus besucht hatte, war es mir unmittelbar ans Herz gewachsen. Gäbe es nicht schon Rebound für mich, wäre das die Einrichtung, in die ich mich voll reinknien würde. Aber die Inflationiererei bringt ja nichts, ich kann sie nur über den grünen Klee loben und hoffen, dass sie möglichst viele Spender in Deutschland findet. Damals hatte ich bei der ZDF/WHH-Gala meinen Gewinn von über 80.000 Euro Fepsi zukommen lassen. Eine gute Investition, freue mich riesig darüber, dass sich das Hospital baulich inzwischen auf eine fast dreifache Kapazität vergrößert hat. Die WHH kümmert sich um die medizinischen Apparaturen, mit denen der neue Kreißsaal ausgestattet werden soll, in dem natürlich vor allem die Operationen stattfinden, bei denen man die vergewaltigten Frauen und Mädchen zusammenflickt. Aber auch für psychologischen Beistand ist gesorgt, auch wenn man keinen studierten weiblichen Psychologen finden kann. Der Chef ist ein junger Mann, dem Esperanza, die ich noch von 2009 kenne, als erfahrene Frau zur Seite steht. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist auch die Re-Integration der Frauen in ihre Heimatgemeinden, denn fatalerweise werden diese in der Regel verstoßen, während die Vergewaltiger sich in Freiheit ihres Lebens erfreuen. Auch hier macht sich die „Verdunstung“ bemerkbar: Das Gefängnispersonal bekommt keinen Lohn, denn der ist – wie nahe zu sämtliche staatlichen Gehälter irgendwo auf der Strecke Kinshasa-Butembo verdunstet. Und wenn der Delinquent irgendwie in der Lage ist 50 Dollar herbeizuschaffen, kann er gehen.
Als letztes Projekt dieser Reise besuchen wir Georg Dörkens Herzensangelegenheit. „Stand Proud“ ist eine NGO, die sich seit 1999 für benachteiligte Kinder und Jugendliche mit Polio bzw. Meningitisbehinderungen einsetzt und ihnen Zugang zu medizinisch-orthopädischer Versorgung verschafft. Zumeist Kinder, die sich nur auf allen Vieren bewegen können und in der Regel als chancenlose Bettler auf den Straßen der Umgebung enden. Viele von ihnen werden operiert und erhalten einfachste Prothesen, die natürlich immer wieder erneuert werden müssen, weil auch diese Kinder wachsen. Hier besonders hervorzuheben der Selbsthilfe-Aspekt: Die Prothesen werden unter fachkundiger Anleitung in der Wohngemeinschaftsartigen Einrichtung von den Jugendlichen selbst hergestellt. Enorm, was die Kerle aus ein paar Metallbändern, Schrauben und einem Paar hoher Lederschuhe zaubern können. Zum Abschied trägt ein Junge ein Gedicht vor und dann wird – so merkwürdig sich das auch anhört – für uns getanzt. Über zwei Lautsprecher läuft Disco-Music und schnell hat man vergessen, dass so was möglicherweise nicht p.c. ist. Alles Quatsch, sie haben unbändigen Spaß dabei und erst die Tanzerei macht sie so locker, dass sie anschließend völlig befreit mit uns Muzungus über Fußball reden und sogar scherzen. Auf seinen Berufswunsch angesprochen, antwortet einer: „Ich werde später mal Bill Gates.“ Gut, dass der mittlerweile entschärpte Bürgermeister erst eintrifft, als wir bereits wieder im Aufbruch sind, unser Botschafter hat ganze Arbeit geleistet. Joode Mann!