Rebound
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Samstag, 5. Mai bis Montag, 7. Mai 2012 – Köln/Palladium

Samstag gegen 9:00 in Worpswede aufgebrochen, um nur ja nicht das finale Debakel des 1. FC Köln zu verpassen. Als kurz vor Spielende in der Südkurve von einer Hand voll Schwachmaten Rauchbomben gezündet werden, ist die absolute Blamage perfekt und die Grenze zum Fremdschämen endgültig überschritten. Dass der FC in die zweite Liga absteigt, schmerzt mich weniger als das Entsetzen über das Abhandenkommen des Humors. Zu viel ist anscheinend passiert, als dass die Südkurve Galgenhumor-mäßig singen würde: „… nie mehr erste Liga…“. Auch die unentspannten KGB-Zensur-Methoden, mit denen die Vereins-Leitung auf unliebsame Transparente („Maach et joot, Poldi. Wenn wir könnten, würden wir auch gehen.“) reagiert, sind erschreckend. Unmittelbar werden diese von eilfertigen Ordnern heruntergerissen. Eine Entwicklung, die ich, seit ich wieder die Spiele live im Stadion verfolge, mit großer Sorge registriere. Was ist das bloß für ein Umgang mit wirklicher Fankultur? Nur noch bestellter Jubel ist zugelassen, und das erinnert einen fatal an die letzten Tage von Erich Honnecker, den Michael Gorbatschow mit dem berühmten Satz „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ warnte. Auch wenn ich natürlich weiss, dass man sich – wie im entsprechenden BAP-Song gesungen wird – „Vater, Mutter und den Club, mit dem man leiden muss“ nicht aussuchen kann, brauche ich jetzt dringend mal eine Auszeit vom Erstligisten der Herzen, denn ändern kann ich ja nicht wirklich was. Anders wäre das gewesen, wenn der Hellmän nicht vor vollendete Tatsachen gestellt worden wäre, und das ihn angetragene Präsidentenamt übernommen hätte. Aber zu den Bedingungen wäre das als eine Art Harakiri geendet.
Sonntag Abend dann das erste von zwei Palladium-Konzerten. beim Soundcheck proben wir mit dem pensionierten WDR-Bigband-Saxophonisten Heiner Wiberny „Amerika“ und Arsch huh“ ein. Vor allem „Amerika“ ist ein Song, bei dem wir uns ohne Saxophon immer einen Bruch gehoben haben, so oft wir´s auch probierten. Schade, denn eigentlich zählt das Lied zu meinen absoluten Lieblingsnummern. aus der Major-Ära. Aber heute ist die Gelegenheit günstig, schließlich lebt Heiner in Köln und den muss man nun wirklich nicht zum Jagen tragen. Auch „Arsch huh“ ist mit Saxophon schon um einen Hook geiler. Unglaubliche Spannung, als wir nach einer viertelstündigen Verspätung (der Verkehr staut sich vom Wiener Platz bis zum Palladium) vor die Leute treten. Eine Gänsehaut jagt die nächste, die ersten beiden Songs noch vor endlos vielen Kameras im Graben, dann meine Begrüßung, die in „Krohn oder Turban“ (mein persönliches Glaubensbekenntnis) mündet. Ich bedanke mich bei Professor Fink und seinem Team, von dem die meisten heute angetreten sind, der Rest kommt morgen. Und überhaupt danke ich für die ganze Anteilnahme, die in´s Universum geschickt wurde. Hat in der Tat eine heilende Wirkung ausgeübt.
Spätestens bei „Aff un zo“ ist dann alles wieder im gewohnten Fahrwasser und die Gedanken an den Vorfall vom 2. November rücken in weite Ferne. Das Programm beschreibt einen wunderbaren Bogen und nach dem Hitzfeld-Prinzip brauchen wir jetzt nur noch bei Bedarf zu routieren. Am zweiten Abend dann deutlich weniger Presse-Meute, obwohl es sich heute tatsächlich noch mal richtig gelohnt hätte. Denn erstens proben wir beim Soundcheck mit Hans Süper „Mir zwei, mir könnte Fraue han“ sowie „Heimweh nach Köln“ (Isch möösch zo Foss noh Kölle jonn) ein, um diese Songs dann zum Abschluss mit ihm zu performen. Was ich nicht weiss, ist dass mich Clueso mitten während der Show überrascht, um „All die Augenblicke“ mit uns zu spielen. Alle sind eingeweiht, bis auf meine Wenigkeit. Helmut flüstert mir im allerletzten Moment „… wundere dich nicht, wir spielen die Single-Version…“ ins Ohr und schon tippt mir der geschätzte Kollege zur Begrüßung von hinten auf die Schulter. Selbstverständlich kommt er auch zur eigentlich letzten Nummer, „Für immer jung“ noch mal hoch, denn da haben wir beide ja mittlerweile sogar sowas wie Routine drin. Und, so als wären wir lediglich das Vorprogramm gewesen, kommt es dann tatsächlich zu etwas, was wohl von niemandem in Köln für möglich gehalten worden wäre: Der Mann, der „Nit für Kooche“ geschrieben hat, singt gemeinsam mit Hans Süper vom Colonia-Duett. Für mich ein absolutes Privileg, der Mann war schon immer mein Held, und wann immer ich beim Zappen während einer Karnevals-Saison bei einer Sendung mit ihm gelandet war, habe ich alles um mich herum vergessen. Man muss nur mal auf Youtube gehen, Colonia-Duett eingeben und sich die 1980`er Nummer „Hexeschuss“ ansehen, dann weiss man, was ich meine. Jedenfalls war das einer der magischsten Momente, die ich jemals auf einer Bühne erlebt habe, als der Hans, nur zur Piano-Begleitung (Mike Herting selbst!!) und zu seiner Flitsch (Mandoline) Willi Ostermanns „Heimweh nach Köln“ anstimmt. Eigentlich für mich noch zu vergleichen mit dem Moment, in dem Max Weinberg von der E-Street-Band das Intro-Fill von „Hungry Heart“, dereinst in der Kölnarena trommelte. Insofern ist es eigentlich auch gar nicht erstaunlich, dass ich nach dem Ausklingen des letzten Tones ins Mikro brülle: „Who the fuck is Bruce Springsteen? Ich habe mit Hans Süper gespielt!“ Kann es eigentlich immer noch nicht glauben, was heute alles passiert ist, als ich mit Oliver, meiner Familie, Clueso und seinem Manager Andy, die bei uns übernachten, noch spät nachts in unserer Küche sitze, um Rhabarberkuchen zu vertilgen. Die letzten haben wohl unter Zuhilfenahme eines kühlen Rieslings noch bis 4:00 durchgehalten.

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