Köln
Montag, 13. Juli 09 bis Mittwoch, 22. Juli 09
Keine Zeitspanne, in der großartig was passiert. Bisschen Bürokram, ein paar Interviews, das herausragende gesellschaftliche Ereignis (jedenfalls für den Kölner Express) ist mein Erscheinen mit Töchtern auf der Premiere von „Rain“ in der Philharmonie. Eine wirklich sehr gute Beatles-Cover-Band spielt sich mit teilweise unfreiwillig komischen Kostümen und Perücken durch die Bandgeschichte der Fab Four. Aber was will man ihnen vorwerfen? Würden sie lediglich die Songs ohne jede optische Zutat aufführen, ginge da kein Mensch hin. Mit der Zeit gewöhnt man sich dann an den Verkleidungsquatsch und ist sogar hier und da verblüfft von der Detailkenntnis der Ausstatter. Beispielsweise stimmen die Gitarren dermaßen exakt mit den tatsächlichen zur jeweiligen Zeit überein, dass sogar John Lennon’s halbakustische Epiphonie-Sunburst zum „richtigen“ Zeitpunkt als abgebeizt auf die Bühne zurückkehrt. Nur, dass Paul McCartney Linkshänder ist, lässt sich bei „Rain“ aus naheliegenden Gründen nicht berücksichtigen. Irgendwie ist es rührend zu erleben, wie vielen Menschen, von denen nicht wenige das Rentenalter erreicht haben, die Songs der Beatles dermaßen wichtig sind. Sehe beim Verlassen der Philharmonie in lauter beseelte Gesichter und das hängt mit Sicherheit weniger mit den Kostümen und Perücken zusammen als mit dieser Musik, die zum Soundtrack, nicht nur meiner Generation, wurde.
Bei der Gelegenheit fällt mir übrigens ein, dass Klaus Voorman’s Album und DVD „A sideman’s jouney“ ab 16.7. im Handel sein sollte! Jeden Moment im Handel sein wird auch das Liederbuch von „Klaus der Geiger“ , für das ich auf der Rückfahrt von Dylan-Konzert in Saarbrücken das Vorwort geschrieben hatte. Ist sehr schön geworden, aber leider bin ich zur Präsentation nicht im Lande.
Vorwort:
„Es muss im Sommer 1969 gewesen sein, als Klaus der Geiger in mein Leben trat. Ich war achtzehn und befand mich in einer, beschönigend ausgedrückt, komplizierten Phase. Die Woche über wohnte ich in einer sturmfreien möblierten Bude im Voreifel-Städtchen Rheinbach, wo ich auch das Städtische Gymnasium besuchte. Doch das tat ich nur als eine Art Gasthörer. „Hauptberuflich“ nämlich sang ich in einer Schülerband namens „Troop“. Meine Wochenenden in Köln und die Schulferien waren folgerichtig zu dieser Zeit durch den Dauerkonflikt mit meinen ebenso besorgten wie konservativ-katholischen Vater, der an der Ecke Kartäuserwall / Severinstraße ein Lebensmittelgeschäft betrieb, stark belastet.
Nicht zuletzt deshalb empfand ich die Teestube „Tabernakel“ an der Bottmühle, nur ungefähr zweihundert Meter von meinem Elternhaus entfernt, als Geschenk des Himmels. Die Lockerheit, mit der man in diesem Open House aufgenommen wurde, ohne sich großartig erklären zu müssen; die Gastfreundlichkeit und der Respekt, die einem entgegengebracht wurden, und vor allem das überall zu spürende, unerhörte Maß an Unangepasstheit kannte ich bislang nur vom Hörensagen. Es war ein ständiges Kommen und Gehen. Da waren Freaks und Hippies von Überallher, die man notfalls auch übernachten ließ; Kids wie ich und mein Freund Addi, der in einer Kinks-Coverband spielte, und natürlich die Leute, die zur „Tabernakel“-Kolumne zählten und dort wohnten, wie Klaus von Wrochem und der baumlange, bärtige Blues-Gitarrist Richard Bargel mit seiner unfassbaren Afro-Matte.
Die meiste Zeit saßen wir rum, schlürften damals noch als exotisch geltende Teesorten, palaverten, klampften, sangen und trommelten. Ab und zu kreiste auch schon mal eine Kräuterzigarette oder man nahm geheimnisvolles Gebäck zu sich, aber im Wesentlichen passierte rein gar nichts von all dem, was sich die Spießer draußen in ihren von „Praline“, „Quick“ und „Bild“-Zeitung verkleisterten Hirnen so zusammenspannen.
In meinem zweiten „Tabernakel“-Sommer war ich dann – es kam, wie es kommen musste – schon von der Schule geflogen und bereitete mich auf die Aufnahmeprüfung für die Kölner Werkschulen vor, die sich am Ubierring, nur einen Steinwurf von der Bottmühle, befanden. Ungefähr zu dieser Zeit lud Klaus mich und meine Band „Goin’ Sad“ ein, mal im „Tabernakel“ zu spielen. Dass dies kein normaler Auftritt werden würde, war allen Beteiligten von vornherein klar, denn jeder, der mitspielen wollte, war herzlich willkommen. Allen voran natürlich dieser akademisch ausgebildete Wahnsinnsgeiger, der in keine Schublade passte, aber natürlich auch deshalb ein unglaubliches Ansehen genoss.
In den Jahren danach war ich glücklich wie nie zuvor. Ich studierte Freie Malerei und kümmerte mich nicht mehr groß um Musik. Wahrscheinlich hätte ich Klaus völlig aus den Augen verloren, wenn er nicht dermaßen konsequent als Straßenmusiker geackert hätte. Klaus war mittlerweile zum Inbegriff des unbeugsamen Widerständlers geworden und somit gerade in der zweiten Hälfte der Siebziger, als sich überall Bürgerinitiativen für oder gegen irgendwas formierten, zu einer Integrationsfigur für all die, die sich nicht von „denen da oben“ einplanen lassen wollten. Es war die Zeit der Spontandemos und Straßenfeste, auf denen dann auch ich wieder mit meiner 1976 gegründeten Band BAP spielte. Wo man auch hinkam, Klaus war mit seinen oft mit heißer Nadel gestrickten Songs zum betreffenden Thema immer schon vor Ort. Es bewegte sich was, vor allem in der Kölner Südstadt, wo die stillgelegte Schokoladenfabrik „Stollwerck“ zum Spielball der Klüngler und Spekulanten geworden war.
Am Spätnachmittag des 20 Mai 1980 saß ich im Chlodwigeck, als draußen jene Demonstranten vorbeizogen, die in den folgenden Stunden das „Stollwerck“ besetzen sollten. Angeführt wurden sie natürlich von Klaus dem Geiger, der mich sah und mit den Worten „Mensch, Wolfgang, was zum Teufel treibst du denn da in der Kneipe? Komm raus, Mann!“ von der Dame meines Herzens, der späteren Mutter meiner Söhne, wegbefahl, mit der ich ausgerechnet an diesem Tag mein erstes Date hatte.
Vier Jahre später im Winter ’84/’85, als wir uns auf der schier endlosen „Zwesche Salzjebäck un Bier“-Tour befanden, erreichte uns eine seltsame Anfrage aus der Heimat: „Wir haben die Bäume am Kaiser-Wilhelm-Ring besetzt. Ihr müsst unbedingt ein Solidaritätskonzert für Platania spielen!“ Absender war – na, wer wohl? – Klaus der Geiger. Ich werde dieses denkwürdige Konzert bei Minustemperaturen unter den Bäumen, in deren Kronen die Besetzer in Baumhäusern schon seit Wochen ihre Tage und Nächte verbrachten, nicht vergessen. Vier Jahre nach der Räumung des Stollwercks hatten sich noch einmal Tausende von Leuten zusammengefunden, um Klaus und den anderen Baumbesetzern zur Seite zu stehen. Ich habe sogar einen Song darüber geschrieben („Gröön enn Platania“), der aber leider erst drei Jahre später auf meinem ersten Soloalbum erschien. Die Befürchtung einiger meiner damaligen Band-Kollegen, er könne als Anbiederung an die Kölner Sponti-Szene verstanden werden, hatte ihn vom BAP-Album „Ahl Männer, aalglatt“ ferngehalten. Dafür konnte dann, als wir „Gröön enn Platania“ für „Schlagzeiten“ aufnahmen, Klaus der Geiger mitspielen. Es waren denkwürdige Tage im Kölner EMI-Studio. Immer wieder machten sich die, die gerade nicht bei den Aufnahmen gebraucht wurden, auf den Weg zur „Winterzauber“-Karawane, um dort in flexiblen Besetzungen, unter anderem auch als Backing Group von Udo Lindenberg, für die Grünen im Wahlkampf ordentlich auf die Pauke zu hauen. Es war das Jahr nach Tschernobyl.
Danach ist mein Kontakt zu Klaus nie mehr abgebrochen. Inzwischen genießt er bereits bei den Südstadt-Kids, die so alt wie meine Söhne sind, hohes Ansehen, was nicht zuletzt mit seiner Glaubwürdigkeit, seiner Menschenfreundlichkeit und natürlich seiner künstlerischen Unverwechselbarkeit zusammenhängt. Ich selbst habe all das zuletzt im Oktober ’07 in Bochum während eines Big Band-Konzerts, zu dem ich Klaus eingeladen hatte, wieder ganz intensiv empfunden. Es ist mir eine Ehre, seit vier Jahrzehnten mit diesem absolut authentischen Menschen und diesem großartigen Musiker befreundet zu sein.
Wolfgang Niedecken, Köln, 6. April ‘09“
Dienstag Vormittag bringe ich meine Mädels zum Flughafen Für sie fängt der Sommer auf Mallorca somit schon an, während ich noch zwei Gigs spielen werde und am Sonntag morgen nachfliege. Gut, das die Flugverbindungen dermaßen günstig sind, ansonsten hätten wir uns dieses Jahr gemeinsame Ferien abschminken können, schließlich spielen wir ja an nahezu jedem Wochenende irgendwo in Deutschland. An Naxos war jedenfalls nicht zu denken.
Am Abend kocht dann Rhani, der überraschenderweise für ein paar Tage nach Köln gekommen ist, für uns beide ein phantastisches marokkanisches Gericht, das wir bis zum mittlerweile pünktlichen Mitternachtsgewitter im Garten einnehmen. Wie es aussieht, wird er irgendwo bei den anstehenden Konzerten besuchen, weil er auf dem Weg zu einem Gig mit Xavier „ Sowieso vorbeikommt“.
Mittwoch Abend mit Didi bei Manfred, um schon einmal, wenn auch nur ganz grob, die Planung für die Zeit nach den Festivals zu skizzieren.