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Greatest Hits-Tour / 30. März – 2. April

2. April, Sonntag, Münster, Münsterlandhalle

Kurze Nacht. Meine Mädels waren mit zum Konzert nach Oberhausen gekommen Böse Zungen, die behaupten, eine Nacht mit drei Blondinen sei zu strapaziös für einen 55-jährigen, liegen gar nicht so falsch.
Obendrein ist zum ersten Mal Fussel, unser neuer Hund, dabei, was zusammengenommen bedeutet, dass ich um 9 Uhr aufstehen darf. Der Frühstücksraum unseres Hotels ist unseren Töchtern zu voll (erfreulicherweise mal keine griechischre Hochzeitsgesellschaft!) und der Hund will Gassi gehen.
Mittags dann zurück in den „Bauch des Wals“. Der relativ normale Touralltag hat mich wieder. Relativ deshalb, weil der erste Termin in Münster dann doch außergewöhnlich ist. Der Bürgermeister lädt mich in den berühmten Friedenssaal des Rathauses ein, in dem dereinst der „Westfälische Friede“ ausgehandelt wurde. Hier wird mir heute die Ehre zuteil, mich ins Goldene Buch der Stadt Münster einzutragen. Eines der Themen, über die wir uns im Laufe dieser ungezwungenen Zeremonie unterhalten, ist die für das kommende Wochenende drohende Nazi-Kundgebung. Bin erstaunt, wie intelligent man in dieser Stadt mit dieser unerfreulichen Klientel umgeht. Man ist sich vollends darüber bewusst, dass den Rechten nichts lieber wäre als gewaltsame Reaktionen auf ihre Provokation. Wie es aussieht, ist man nicht gewillt, sich am Nasenring vorgestriger Ideologen durch die eigene Stadt ziehen zu lassen.
Vor dem Konzert noch eine kleine Pressekonferenz zur Promotion eines Open Airs im Sauerland. Während der Huldigung wird mir dann endgültig klar, dass ich wohl heute erstmals auf meinen Autopiloten vertrauen muss. Bin hundemüde. Erfreulicherweise dauert diese Phase nicht allzu lange, auf meine Adrenalinausschüttung ist eben Verlass.
Kann das Steuer nach drei Songs dann doch wieder übernehmen. Wäre auch ausgesprochen schade gewesen, denn auch heute verwandeln wir die altvertraute Halle Münsterland erneut in einen Club. Das jedenfalls bestätigte uns unser Freund Henning Wehland, der heute natürlich ein weiteres Mal unser Gast war. Nicht nur für ihn ein Heimspiel.

1.April, Samstag, Oberhausen, König-Pilsener-Arena

Den gestrigen Off-Tag verbrachten die Kölner zuhause. Für mich eine gute Gelegenheit, all die Geschenke und die Winterklamotten abzuwerfen. Die letzte Tourwoche wird uns in punkto Kondition noch einmal alles abverlangen, denn der geplante freie Tag in Hamburg entfällt aufgrund des Zusatzkonzertes.
Hier in der Arena hatten wir zuletzt während der Comics&Pin Ups-Tour gespielt. Inzwischen habe ich hier zwei phantastische Konzerte mit Bob Dylan und Neil Young gesehen, was natürlich wunderbar in meine Ansagen zu den Stücken „Helfe“ und „Stell dir vüür“ passt. Unvergessen die „verängstigte-Schafe-bei-Gewitter-Herdenbildung“ der Crazy Horse-Musikanten vor dem Drumriser und natürlich das aus dem Lichtrack an Ketten zu Neil Young heruntergefahrene Keyboard mit den seitlich angeklebten Pappmache-Laubsägeflügelchen. Habe mich schon Ende der Siebziger gefragt, was diese Geschmacksrockerteile bloß in dem ansonsten makellosen Film „Rust never sleeps“ zu suchen hatten.
Das beachtliche Ergebnis unseres Fußballvereins bei den Bayern stimmt uns optimal auf den Gig ein, es scheint tatsächlich ein geordneter Rückzug aus der ersten Liga möglich zu sein. Es sind viele Holländer im Publikum, ansonsten gibt es nichts Außergewöhnliches zu vermelden. Ein weiteres astreines Konzert, das der WDR mit Hilfe unseres Produzenten Stackman für eine spätere Ausstrahlung in der Serie „Soundfiles“ aufgezeichnet hat.

30.3., Donnerstag, Mainz, Phönixhalle

Die kürzeste Strecke der ganzen Tour, von Neu-Isenburg nach Mainz eher ein Witz. Mein Arbeitstag fängt wie gewohnt mit einer Signierstunde an, danach zum Südwestfunk zu einer TV-Aufzeichnung für die Landesschau. Zum Geburtstag gibt’s einen liebevoll zusammen gestellten Korb mit Leckereien aus dem Sendegebiet. Bis auf den Pfälzer Saumagen, der mich als Vegetarier doch eher befremdet, wird alles – in dosierter Form – bei Gelegenheit zum Einsatz kommen.

Schon vor dem Konzert trudeln nach und nach Unmengen Freunde und Bekannte ein, so dass wir nur mit Ach und Krach dazu kommen „Das große Schu-bi-du“ in einer unplugged-Version fürs heutige Konzert einzuproben. Beim Zusammenstellen der Booklets für unsere ersten vier remasterten Alben habe ich die Vorgeschichte für diesen Song wiederentdeckt, nämlich den unfassbar schlechten Heimatfilm „Johannisnacht“ aus den Fünfzigern mit Willi Birgel und Hertha Pfeiler.

Die ersten drei Stücke der Show laufen wie gewohnt ab, bis man mir zur ersten Ansage das Mikro runter fährt und ich einer eingespielten, mit Karnevalsmusik untermalten, in Mainzer Dialekt vorgetragenen Geburtstagsansage von Werner Reinke unterzogen werde. Verstehe allerdings durch meine in-ear-Monitore kaum etwas, so dass ich mir das bei Gelegenheit noch einmal in Ruhe anhören muss.

Kaum ist diese Nummer durch, werden mir tausende DIN A4-Zettel entgegengehalten, auf denen das altehrwürdige 4711-Logo, zu 5×11 ummodifiziert wurde, selbstredend zum Geburtstagsständchen. Eine Fandelegation erscheint auf der Bühne, mit einem ebenfalls modifizierten T-Shirt dieser Tour, auf dem jetzt „Fünfmohl elf Johre, … dä Wahnsinn, dä Mann“ steht. Dazu ein Riesenposter mit den Glückwünschen sämtlicher heutiger Konzertbesucher.

Keine Ahnung, ob ich die richtigen Worte gefunden habe, aber das war schon überwältigend. An solchen Tourneeabenden, es muss nicht einmal das Geburtstagkonzert sein, wird mir immer häufiger bewusst, mit welchen Privileg ausgestattet ich meine Arbeit tun darf und auf wie viel Liebe und Vertrauen ich bei unseren Fans stoße. Denke, dass ich mir meinen Job mit diesem Wissen im Hinterkopf auch im kommenden Jahrzehnt nicht ausreden lassen werde.

Zu „Hungry Heart“ erscheint dann Frank Laufenberg mit einem Mainz 05-Trikot (Rückennummer Niedecken 55) auf der Bühne, das mir der Mainzer Trainer Klopp mit den tröstenden Worten „Alles weed joot“ signiert hat. Überhaupt, all die Geschenke aufzuzählen, würde den Rahmen dieses Logbuchs sprengen. Stellvertretend sei nur eine Flasche Rotwein (1976er Jahrgang) genannt, die mir unsere Luxemburger Freunde schenken und das Telegramm in Herrentortenform, das mir Rosi und Ewald Lienen als Eilpaket zustellten. Vielen, vielen Dank an alle, ich weiß dies wirklich zu schätzen!!

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