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Freitag 13. Juli 2012 – Rheinbach / Himmeroder Wall (Rheinbach – Classics)

In der Woche nach dem Heinsberg-Gig zunächst mal zwei Tage nach München in Sachen Tollwood-Promo. Mittwochs dann im Pavement-Studio in Bergisch Gladbach gemeinsam mit fast sämtlichen Sängern aus dem Arsch huh-Pool die diesjährige Hymne zum 9. November eingesungen. Die Idee war, den Bläck Fööss-Song „Unser Stammbaum“ unter den einzelnen Teilnehmern aufzuteilen. Mir fällt erfreulicherweise genau die Zeile zu, die ich im Buch zitiere! „Die janze Welt, su süht es uss…“. Abends dann mit Bömmel und Isis wieder nach Bonn, dieses Mal zum Bob Dylan-Konzert. So lustig habe ich den Mann noch nie live auf einer Bühne erlebt und immerhin habe ich ihn mir auf jeder Tour seit 1978, wo er zum ersten Mal auf dem europäischen Festland gespielt hat, gegeben. Geniale Abende und grauenhaft besorgniserregende, aber so gut drauf wie heute war er noch nie.
Donnerstag reist Didi an, damit wir uns mal das Summer Jam-Gelände am Fühlinger See mit infrage kommender Bühne ansehen können. Vielleicht wäre das ja eine Alternative zum Roncalliplatz. Bin mir allerdings nicht so sicher, ob sich unser Klientel hier raus auf den Weg machen würde. Donnerstagabends dann nach Essen in die Lichtburg, wo die Premiere von „Bis zum Horizont, dann links“ stattfindet. Hatte mich besonders auf Otto Sander gefreut, den ich morgens noch auf dem Heimtrainer in Wim´s „In weiter Ferne, so nah“ gesehen habe, aber er ist wohl ziemlich krank und glänzt durch Abwesenheit.
Freitagmorgen im Geißbockheim Focus-Interview und abends „Kölner Treff“-Aufzeichnung. Das Wochenende nutze ich mal dazu, meinen Papierberg zuhause abzutragen und nach Kronenberg zu fahren, um die Kakteen zu gießen und mal nach dem Rechten zu schauen. Montag den 9. Juli wieder mal nach Bonn in die Gronau zum Patti Smith-Konzert. Tina und mein Freund Gert Scobel kommen mit. Die Walkabouts bestreiten das Vorprogramm und ich bekomme heute endlich die Antwort auf die Frage, warum die bei all den großartigen Songs nicht mehr haben: Weil ihre Bühnenpräsenz indiskutabel ausfällt. Für einen Club mag das reichen, aber sobald das Publikum dreistellig wird, genügt es einfach nicht, seine Stücke Vorschriftsmäßig nach Dienst runterzuschrammeln. Patti Smith hingegen hat die Leute vom ersten Moment an im Griff. Völlig entspannt lässt sie ihr Publikum an ihren Gedanken teilhaben, sei es dass sie ein vorüberfahrendes Schiff interessant findet oder daran denkt, dass zuhause bei ihr auf dem Klavier eine Beethovenbüste, die sie mal aus Bonn als Souvenir mitgebracht hat, steht und ihrer Tochter beim Klavierunterricht zuhört. Die Band – so scheint es mir – hat deutlich dazugelernt seit ich sie zuletzt erlebt habe und gegen Ende des Sets legt Patti noch mal eine Schaufel drauf. Ungeheuer, wie sie sich zu „Rock´n Roll-Nigger“ und „People have the Power“ in die Kurve legt, wie glaubhaft sie ihre Empörung rausschreit. Nach der Show sehen wir uns noch kurz. Mir war wichtig, dass sie endlich mal erfährt, was ihr Statement im Kölner Konzert im Sommer 2002 bewirkt hat. Vielleicht kann ihr ja mal einer die Seiten 449-453 aus meiner Autobiografie übersetzen. Schenke ihr jedenfalls mal ein Exemplar von „Für ne Moment“ mit der Widmung „To Patti, …Faith, Love & Hope.“ Vor allem ist sie und Lenny Kay, ihr Gitarrist an den Fotos, die in Afrika entstanden sind interessiert und natürlich an der Kindersoldatenthematik. Jammerschade, dass da immer so viele Instanzen zu überbrücken sind, denn ich bin mir sicher, dass „Patti Smith and her Band“ mit uns zusammen das ideale Festival-Paket abgeben würden (übrigens sehr empfehlenswert ihr neues Album „Banga“) .
Dienstags Telefoninterviews und Bürokram, Mittwochs erste Testfotos für´s Arsch huh-Cover und Donnerstags dann mit dem Intercity um 9:55 nach Frankfurt. Didi holt mich vom Airport-Bahnhof ab und wir fahren zum Hessischen Rundfunk. Zunächst Aufzeichnung für die Bärbel Schäfer Sonntagssendung und danach mit Sebastian Krüger, Helmut Krumminga und natürlich dem Gastgeber, Werner Reinke selbst, die 4-stündige live-Sendung zum 50sten Jubiläum der Rolling Stones. Von uns aus hätten das auch ruhig 8 Stunden werden können, dermaßen schnell ist die Zeit verflogen. Macht in der Tat großen Spaß sich mit derart kompetenten Leuten über meine Lieblingsband zu unterhalten. Abendessen in Hotelnähe beim Italiener (L´ Unico) und heute morgen noch schnell mit Sebastian in die Jeff Koons-Ausstellung in der Schirn. Tja, was soll man dazu sagen? Vielleicht, dass ich weniger entsetzt war als angenommen und deutlich amüsierter aus der Schirn rausgekommen bin als ich das für möglich gehalten habe. Der Mann hat sich ganz einfach bei allen Pop-Art-Größen und Fotorealisten bedient, die nicht schnell genug auf den Bäumen waren. Am auffälligsten hierbei Rosenquist, Schonzeit, Lichtenstein und sogar Polke. Furchtbar beeindruckt bin ich jedenfalls nicht, zumal ich ja weiß, dass der Künstler nicht wirklich selbst Hand anlegt. Der denkt sich das aus und hat für die Ausführung seine Leute. Aber auch das ist spätestens seit Warhol nichts Neues mehr.
Heute morgen aber zuerst mal fast vergessen aus meiner Serie „W.N. als Sportskanone“ eine weitere nie für möglich gehaltene Variante: Der Hessische Hof verfügt über keinen eigenen Fitnessraum, hat aber mit einer Mucki-Bude um die Ecke einen Deal. Ich mache mich also im strömenden Regen, kurz behost mit Hotelschirm auf den Weg und treffe ein um diese Zeit noch brechend leeres Fitness-Studio an, in dem zwei Fernseher ohne Ton (RTL und NTV) dafür aber brüllend laute Gute Laune-Radiomucke läuft. Ich frage den Bodybuilder am Empfang, ob er mir nicht einen der beiden Fernseher auf ein Programm meiner Wahl einstellen und das Radio abstellen könne. Nein, das könne er leider nicht, der Chef verlange, dass das Radio anbliebe. Somit bleibt das einzige, was ich aus diesen Verhandlungen herausschlagen kann, zwei lautlose Fernsehprogramme (immer noch NTV und RTL, weil 3SAT nicht einprogrammiert ist) und ein – für mich persönlich – fast unhörbares Gute Laune-Radioprogramm. Gut, dass ich nicht mehr lebe, wenn die aufgepumpten Einzeller ENDGÜLTIG an die Macht gekommen sind.
Die Fahrt nach Rheinbach ist relativ kurz. Vor Ort sind die TIEBREAKER-Jungs bereits angetreten, sodass wir zügig mit der Probe von „Sympathy for the Devil“ anfangen können. Wusste ich’s doch: keine Probleme! Wäre auch noch schöner, schließlich spielen Heini, Wilfried, Arno und Bernd diesen Song seit 40 Jahren mit der THE TROOP-Nachfolgeband. Schön, zwischen Soundcheck und Show noch ein paar Leute zu treffen, die ich ewig nicht mehr gesehen habe. Vor allem den Hoss, diesen wunderbar gelassenen Hünen, der aus einer Diplomatenfamilie stammt, in Windhoek (Namibia) geboren wurde und, soweit ich mich erinnere, in der Quinta zu uns stieß. Im Publikum sehe ich später auch Thomas Gruber, der ungefähr zur selben Zeit aus Nürnberg eintraf. Gute Leute, an die man gerne denkt. Leider spielt der Wettergott nicht so mit, wie wir gehofft hatten, was aber dem Konzert keinen Abruch tut. Ab und zu regnet es halt mal. So, what?! Schweren Herzens entscheide ich mich heute für Run-out, denn im Backstage-Bereich tummeln sich einfach (Zitat Anne) zu viele betrunkene Bauunternehmer, was wohl mit den Honoratioren der „Rheinbach-Classics“ zusammenhängt. „Musik, Motoren & Petticoats“ heißt das Motto. Ich jedenfalls denke, unser Job ist getan und man sollte immer gehen, wenn’s am Schönsten ist. Oder waren wir doch für die Petticoats zuständig?

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