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Donnerstag, 5.Mai 2011 – Offenbach, Capitol

Didi setzt Oliver und mich in Frankfurt bei der Schirn Kunsthalle ab, bevor er weiter nach Offenbach fährt. In der Schirn laufen zwei interessante Ausstellungen, die wir uns mal ansehen wollen. Zunächst mal nahezu das Gesamtwerk eines Malers, der zu den bedeutendsten deutschen Malern der Nachkriegszeit gehört, Erich Schönebeck. Er hat geheimnisvollerweise die Staffelei-Malerei 1966 eingestellt, bis zu diesem Zeitpunkt aber schon unglaublich viel vorweggenommen, was danach noch jahrzehntelang immer wieder aufs Neue von gottweißwelchen Wichtigtuern und Etikettenschwindlern als Neuerfindung des Rads und vor allem als eigene Idee ausgegeben wurde. Schönebecks Namen darf man getrost in einem Atemzug mit A.R. Penck, Baselitz, Richter und (mit Abstrichen) Lüpertz nennen. Was die Ausstellung leider unbeantwortet lässt, ist die Frage, was der Mann denn seit 1966 so treibt.
Die zweite Ausstellung ist ebenfalls empfehlenswert, auch weil sie einem (mit Ausnahmen) ungewollt die Qualitätsunterschiede zwischen den Arbeiten der anerkannt großen Surrealisten und ihren Mitläufern vor Augen führt. „Surreale Dinge – Skulpturen und Objekte von Dalí bis Man Ray“ lautet ihr Titel. Die Ausstellung versetzt mich ins erste Semester meines Kunststudiums zurück, als wir so ziemlich alle alles Mögliche in unsere Bilder hineinfummelten und behaupteten, damit unser Unbewusstes zu spiegeln. Vor allem die Installation im Treppenaufgang, die an verrauchte, staubige Künstlerkneipen aus den sechziger Jahren mit dickwanstigen, bärtigen Rotweintrinkern erinnert, ist nach diesem Schema zusammengestellt. Am liebsten möchte man hier schon auf dem Absatz kehrtmachen, was man aber auf keinen Fall sollte, denn oben angekommen gibt es neben weiterem Esoterik-Schrott durchaus auch Einiges zu entdecken, beispielsweise die Paraphrase bzw. Weiterführung des „Condition Humaine“-Motivs von René Magritte auf einem Tableau aus realen Schranktüren von Marcel Jean. Kaum glauben können weder Oliver noch ich eine uns bislang unbekannte Arbeit vom großen Marcel Duchamp: Zwei Miniaturen von karierten Partyschürzen mit jeweils einem weiblichen und einem männlichen Geschlechtsteil. Da muss sich entweder irgendjemand einen Scherz erlaubt haben („Vorsicht Kamera!“), oder da ist etwas aus dem Giftschrank irgendeines Galeristen entfleucht. Schön aber zu sehen, wie trittsicher der junge Dalí war, bevor er irgendwann endgültig den Überblick verloren hat und zum Boulevard-Schickeria-Maler verkommen ist.
Danach ins Capitol nach Offenbach, wo Peter Rieger, der Veranstalter unserer ersten überregionalen Tour, vor einigen Jahren reichlich Geld investiert hatte, um die Who-Rockoper „Tommy“ en Suite vor die Leute zu bringen, was dann leider in einer Pleite abgeendet ist. Ob das daran gelegen hat, dass den Frankfurtern Offenbach zu entlegen ist, oder ob die Musik von The Who zu weit vom Mainstream entfernt ist (Queen und ABBA läuft ja wie geschnitten Brot)? Schwer zu beurteilen. Schade jedenfalls, das hätte ich mir gern angesehen, und Peter Rieger hätte ich den Erfolg allemal gegönnt. Schöner Laden jedenfalls, wenn man knapp kalkuliert, könnte man hier mal schön ein Unplugged-Konzert mit BAP spielen, aber auch heute läuft alles wieder optimal.
Schön, nach der Signiererei noch Geli Fleer zu treffen, Jürgens Frau zur Zeit seines Einstiegs bei BAP und Keyboarderin der Complizen-Mozambique-Besetzung. Sie ist in den vergangenen Jahren mit dem „Rilke Projekt“ zu großem Erfolg gekommen. Irgendwie charmant, dass sie in Begleitung von Niki, Jürgens Tochter aus erster Ehe, einläuft, die ihn längst zum Großvater gemacht hat. Manche nennen sowas „Patchwork-Familie“, für mich persönlich fällt das Leben unseres Trommlers lediglich unter die liebenswerte und so Manches entschuldigende Parole „It’s Only Rock’n’Roll“.

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