Rebound
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Montag, 1.September 2014 – Bochum, Zeltfestival Ruhr

Vor zwei Jahren haben wir auf den Tag genau auf der Loreley unser Abschlusskonzert der „Halv su wild“-Tour gespielt. Heute spielen wir in diesem Riesenzelt des Ruhrfestivals den letzten Gig dieser wundervollen Reise, auf der wir dann doch nicht die Stecker gezogen haben.
Heute Morgen trudelt die Nachricht ein, dass wir auf Platz Eins der Trendcharts gelandet sind. Des Weiteren erfahre ich, dass die Special Edition bis kommenden Freitag nachgepresst sein wird und zunächst noch ausreichend Standardversionen des Albums vorhanden sind. Kuh vom Eis!
Bei meiner Ankunft auf dem Festivalgelände erwartet mich schon (unter anderen) „der Hut“, unser ewiger Fan aus Essen, der schon im ersten BAP-Buch mit einem eigenen Beitrag vertreten war. Treue Seele. Der hat sie alle kommen und gehen sehen.
Heute also dann auch den Jürgen, der seinen ersten BAP-Gig auf seinem 40sten Geburtstag in der Essener Grugahalle gespielt hat. Es war eins der Aufwärmkonzerte für unsere China-Tour und ich war sehr froh, ihn endlich bei BAP zu haben. Eigentlich hätte ich ihn schon nach Wollis Ausstieg verpflichtet, aber da spielte er noch bei Wolf Maahn und ihn abzuwerben gehörte sich einfach nicht. Schon Mitte dieser Tour hatte er beschlossen, nach dem letzten Gig bei uns auszusteigen, weil er einfach mehr Zeit für seine Familie haben will, anstatt ständig in irgendwelchen Hotels wach zu werden und sich auf Autobahnen rumzutreiben. Morgen wird er sein Statement auf seiner Homepage veröffentlichen und bis heute wissen es nur die Band und die Crew, weil er vermeiden will, dass unser (jetzt im doppelten Sinne) Abschiedskonzert allzu sentimental gerät. Aber natürlich schwebt dieser Gedanke für alle Beteiligten wie eine große dunkle Wolke über der Bühne und ich weiß ganz genau, bei welchen Songs ich mich auf keinen Fall zu ihm rumdrehen darf, damit es mir nur ja nicht die Stimme verschlägt. Mit keinem einzigen Musiker habe ich mehr Zeit auf der Bühne und im Studio verbracht als mit Jürgen: 27 Jahre. Es ist einfach großartig, wie er diesen extrem schwierigen Gig heute durchsteht, Respekt! Er hatte selbst entschieden, dass wir „… da keine Schnulze draus machen“, nachdem ich mit ihm auch die Möglichkeit eines angekündigten Abschiedskonzertes diskutiert hatte. Irgendwann fiel damals auch der Satz, dass man aufhören sollte, wenn es am schönsten ist. Wenn das tatsächlich so ist, dann hat Jürgen wirklich den idealen Zeitpunkt erwischt.
Erstaunlicherweise beeinträchtigt das Wissen um Jürgens Ausstieg den Gig dann doch in keinster Weise. Im Gegenteil, es wird gescherzt und gelacht und keiner im Publikum wäre auf den Gedanken gekommen, dass heute tatsächlich eine Ära zu Ende geht. Sogar einen epochalen Tourabschluss-Gag hat sich die Crew einfallen lassen: Völlig unangekündigt und ungeprobt taucht plötzlich mitten in Rhanis Solo eine Bauchtänzerin vor ihm auf und lässt zu seinem Groove die Hüften schwingen. Bei jeden anderen Percussionisten wäre sowas klamaukig geraten, nicht aber bei Rhani, der mir in der Pause erzählt, dass er sich vor langer Zeit sogar ab und zu mal ein paar Dinar nebenbei verdient hat, indem er Bauchtänzerinnen begleitete. Gegen Ende des Programms häufen sich dann die neuralgischen Songs und vermutlich wäre in dieser Phase dann doch noch der eine oder andere Kloß in meinem Hals aufgetaucht – wenn ich mich nicht dermaßen über die Konrinthenkackerei in Sachen „strict curfew“ geärgert hätte. „Wer weiß, wofür et joot ess!“ Genaugenommen ein gottgegebenes Ablenkungsmanöver. So kommen wir einfach nicht dazu, bei einer endgültigen Verbeugung in Tränen auszubrechen und das ist auch gut so. Hinter der Bühne steht die Crew Spalier für Jürgen, und es werden Geschenke ausgetauscht, improvisierte Dankesreden gehalten, man liegt sich entsprechend in den Armen und nach dem üblichen „Heimweh nach Köln“ lässt Achim „Tin Soldier“ von den Small Faces laufen, eins von Jürgen Lieblingsliedern. Danach baut die Crew ab, wir räumen die Tour-Schränke aus, und schließlich geht’s bis in die frühen Morgenstunden in die Hotelbar. Selbst ich halte bei Sushi und alkoholfreiem Weizenbier bis 2:00 durch. Dann kommt der Sandmann, und da der Alkoholpegel bei meinen Mitstreitern sowieso unverhältnismäßig zu meinem steigt, ziehen Herr und Frau N. es vor, sich gegenseitig abzuschleppen.

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