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Köln – Arsch huh

Montag, 15.September, bis
Samstag, 20.September 08 Köln / Gürzenichstraße „Köln stellt sich quer“

Eine ziemlich ereignisreiche Woche, nicht zuletzt weil Köln sich auf den Widerstand gegen den fürs Wochenende geplanten „Anti-Islamisierungs-Kongress“ vorbereitete. Diese großartig von der Kölner Rechtsaußenfraktion „Pro Köln“ angezettelte Zusammenkunft europäischer Rechtspopulisten findet also nicht wie ich am 31.August hier ins Logbuch schrieb am 20.November statt sondern war für heute vorgesehen. (Hatte ich wohl einen Zahlendreher reingebracht!!) Aber zunächst mal zurück zum Wochenanfang:

Der „Eine-Welt-Netz e.V.“ hatte mich gebeten, im Bonner Stadthaus bei der Eröffnung der Ausstellung „Unsere Zukunft – Eine Welt“ anwesend zu sein, in der es um die Themenkomplexe Fairer Handel, Klima und Energie, Gerechtigkeit und Frieden, Globales Lernen und kultureller Dialog geht. Von Bonn dann nach Köln-Nippes in die Lutherkirche wo ich zugesagt hatte, die Laudatio auf die Pirnaer „Aktion Zivilcourage“ zu halten, die die diesjährige, mit € 10.000 dotierte „Pfarrer Georg Fritze-Gedächtnisgabe“ erhielt. Nikitakis und die Brings-Brüder Stephan und Peter sowie Kai Engel, deren Keyboarder, waren auch vor Ort, und somit bot es sich natürlich an, gemeinsam mit ihnen und dem „1. schwulen Kölner Männerchor – Triviatas“ zum Schluss der Veranstaltung „Arsch huh“ zu singen.

Mittwoch dann den ganzen Tag über Interviews und Promo für die Gegenveranstaltung am Samstag: unter anderem ein Fototermin am Geißbockheim mit gesamter Mannschaft, dem Oberbürgermeister und mir. Alle in FC-Trikots mit „Arsch huh, Zäng ussenander“-Branding. Wenn es in Köln etwas Multikulturelles gibt, an dem unser Herz hängt, dann ist es ja wohl dieser Fußballverein. Schade übrigens, dass die DFL dermaßen prüde ist und das Wort „Arsch“ für anstößig hält. Sonst hätte der FC in Bielefeld sogar in diesen Leibchen gespielt. REWE, der Hauptsponsor, hätte es jedenfalls erlaubt.

Donnerstag Großkampftag, Frau N. hatte Geburtstag, Freitag noch
ein paar Interviews und Bürokram und heute dann neben dem Gürzenich das „Arsch huh“-Konzert gegen den Anti-Islamisierungs-Kongress. Bereits gestern waren die Damen und Herren Rechtsradikalen gehörig vor die Pumpe gelaufen, als sie von ihrer Pressekonferenz auf dem, in diesem Zusammenhang eher lächerlichen, Ausflugsschiff „Moby Dick“, einer Art Wal-Attrappe, von Demonstranten nicht mehr an Land gelassen wurden. Dem Schiffseigner gegenüber hatten sie sich als Rechtsanwaltsvereinigung ausgegeben, und als sie nach langem Hin und Her endlich unter Polizeischutz ans Ufer gelangt waren, fanden sich weder Taxi- noch Busfahrer, die sie zu ihrem Hotel fahren wollten. In zivile Polizeibusse gezwängt fuhren sie schließlich dorthin – nur um zu erfahren, dass sie auch hier nicht erwünscht waren. Keine Ahnung, wo sie die Nacht verbracht haben, jedenfalls lief auch der heutige Tag für die Kongressteilnehmer eher suboptimal.

Bereits am Morgen eine Großkundgebung vor dem Dom, die danach hierher zum Gürzenich zog, in unmittelbare Nachbarschaft zum Heumarkt, auf dem einsam eine Bühne mit einem Banner „Stopp Islam!“ steht. Davor eine Handvoll Hansel und einige Hundertschaften Polizei zu ihrem Schutz. Rundherum sind sämtliche Zugangswege von Blockierern besetzt, hier kommt keine Maus durch. Das vielbejubelte Ende der rechten „Großkundgebung“ dann gegen 13.00 Uhr, weil jede Verhältnismäßigkeit verloren gegangen ist, und die Polizei die Versammlung aus daraus resultierenden Sicherheitsgründen endgültig verbietet. Groß ist der Jubel und da der Wettergott uns hold ist, ergibt sich eine erfreuliche Party zur Musik fast aller „Arsch huh“-Acts. Am Schluss dann wir. Und natürlich singen alle Beteiligten gemeinsam zum Ausklang die Hymne.

Für mich persönlich ist das Erfreulichste am Widerstand gegen die Pro Köln-Farce, dass unsere Stadt diesmal tatsächlich selbstständig „Jetzt reicht’s“ gesagt hat, den Arsch hoch gekriegt hat, ohne dass erst die üblichen Verdächtigen dazu auffordern mussten. Die ersten Bierdeckel mit der Aufschrift „Kein Kölsch für Nazis“ hatte ich beispielsweise bereits gesehen, bevor ich etwas von der heutigen Nazi-Demo erfahren hatte. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass so was mit Gelassenheit, Entschlossenheit und Humor in den Griff zu kriegen ist. Salam Alaaf!

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