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Kigali, Ruanda / Hotel Milles Collines

Zum Frühstück gibt es direkt einen kleinen Ruanda-Grundkurs von zwei Leuten aus der Deutschen Botschaft, die über vier Jahre Erfahrung vor Ort verfügen. Große Gefühle für Afrika, aber auch reichlich abtörnende Erfahrungen. Dazu stößt Hope, eine Schauspielerin, die mit ihren Tutsi-Eltern in Uganda im Exil gelebt hat, solange in Ruanda die Hutus an der Macht waren. Inzwischen ist sie verantwortlich für das casting sämtlicher großer Filmproduktionen, die sich mit der wechselvollen Geschichte des Landes befassen. Momentan steht die Vorbereitung von „Shake hands with the devil“ an, die Verfilmung der Erinnerungen des kanadischen UN-Generals Dallaire, dem man unmittelbar vor dem großen Genozid von 1994 (bei dem zwischen 800.000 und einer Million Menschen ermordet wurden) den größten Teil seiner Truppen entzogen hatte.

Einziger Programmpunkt des Tages ist der Besuch des einer drei Stunden von Kigali entfernten Schule in Murambi, auf deren Terrain man damals 50.000 Menschen massakriert hatte. Heute dient sie als Gedenkstätte. Wie befürchtet wirft unser Rundgang durch dieses Territorium des Grauens mit seinen mumifizierten Leichen mehr Fragen auf, als dass er zu Antworten führt. Der Führer, den man uns zur Verfügung gestellt hat, ist offensichtlich ein linientreuer Mann der Kagame-Regierung und beantwortet sämtliche Fragen kritischer Natur in einer Art, dass ich mich an entsprechende Besuche in sozialistischen Ländern erinnert fühle. Unmanipulierte Erklärungen muss ich mir in einem Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung suchen, das mir Sönke vor Antritt der Reise geschickt hatte.
Stutzig machen mich vor allem die platte Verteufelung alles Französischen und die Rumeierei, sobald es um den Coltanbbau im benachbarten kongolesichen Kivu-Gebiet geht (Coltan ist ein Edelmetall, dass z.B. für die Handyproduktion unerlässlich ist). Offensichtlich ein heißes Eisen, wie uns heute morgen bereits die beiden Leute aus der Botschaft wissen ließen. Natürlich hatte ich nicht erwartet, hier vor Ort auf die Schnelle die Komplexität der ruandischen Geschichte endgültig begreifen zu können, dennoch regt sich bei mir ein ungutes Gefühl, sobald ich merke, dass man mich für dumm verkaufen will.

Bin auf den morgigen Empfang des Deutschen Botschafters gespannt. Vielleicht erfahre ich da beispielsweise auch mal etwas mehr darüber, wer denn jetzt nun 1994 das Flugzeug des regierenden Staatspräsidenten abgeschossen hat, was ja letztendlich der Startschuss zur Ermordung von einer Million Tutsis und gemäßigter Hutus war.

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