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Dienstag, 9. August bis Mittwoch, 10. August 2011 – Köln / Stuttgart / Zofingen, Magic Night, Heitere Open Air

Per ICE nach Stuttgart, Didi holt mich ab, es geht direkt zum SWR-Fernsehen, Interview-Aufzeichnung für die „Landesschau“, und danach weiter nach Olten in der Schweiz, wo wir die kommenden zwei Nächte wohnen werden. Unser Auftritt in der „Magic Night“ des „Heitere Open Airs“ findet zwar erst in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag statt, aber wenn wir einen ordentlichen Soundcheck machen wollen, so ist das lediglich zwischen 12 und 13 Uhr möglich. Also Anreise Crew und Band bereits am Vorabend. Nach unserer Ankunft im „Arte“-Hotel, das sich in einer Umbauphase befindet, beschließen wir, lieber noch in die Altstadt zu spazieren, um dort zu Abend zu essen. Gute Idee, so gut, dass ich am Mittwochmorgen nach dem Frühstück noch einmal dorthin aufbreche, um mir die Szenerie mal bei Tageslicht anzusehen und mir ein Ersatzbuch zu kaufen, weil das, was ich mir für die kommenden Tage mitgenommen hatte, sich als unlesbar erweist (Richard Price: „Cash“). Meine Wahl fällt auf Alex Capus‘ „Leon und Louise“, einen Roman, über den ich einiges gelesen und im TV gesehen habe und der sowieso noch auf meiner Liste stand. Umso überraschter bin ich, als ich dann im Klappentext lese, dass der Autor hier in Olten lebt. Schöner Zufall, schöner Roman. Bleibe nach unserem Soundcheck direkt auf dem Gelände, lege mich in einen Liegestuhl und lese. Zwischendurch mal ab und zu zur Bühne, wo Suzi Quatro als einzige außer uns einen wirklichen Soundcheck absolviert. Earth, Wind & Fire beschränken sich auf einen Line-Check, und von einem Alan-Parsons-Project-Soundcheck kann auch nicht wirklich die Rede sein. Was stattdessen stattfindet, ist das Anspielen diverser vorgefertigter Spuren, zu denen der Meister und seine Studiomusikerkollegen dann abends verblüffen werden. Alles natürlich hochwichtig, britische Musikanten, amerikanische Crew mit Funkgeräten, leichte Assoziationen zu „Apocalypse Now“ kommen auf. Wir hätten vorgewarnt sein müssen. Um 18 Uhr geht’s dann pünktlich los, ein Mann namens Jimmy Coup eröffnet mit einer akustischen Gitarre und diversen bewährten Coverversionen von Eagles bis Bryan Adams. Undankbare Aufgabe gut gelöst. Danach überrascht mich DER weibliche Teeniestar der 70er, die kleine, Bass spielende Suzi Quatro, indem sie doch tatsächlich mit Neil Youngs „Rocking in The Free World“ anfängt und den Bogen bis zu Chuck Berrys „Sweet Little Rock ’n‘ Roller“ spannt. Dazwischen alles, was man – inklusive „48 Crash“ – so mit ihr verbindet. Wäre vermutlich nie in eines ihrer Konzerte gegangen, aber das mal aus dieser Perspektive erlebt zu haben, hatte durchaus was. Ähnliches gilt für Earth, Wind & Fire, auch wenn diese Herren auf einem erheblich höheren Niveau brillieren. Zwischendurch schlägt die deutsche Nationalmannschaft Brasilien mit 3:2, und dann kommt die große Stunde der Eukalyptus-Now-Männer. Anstatt der vorgesehenen 25 brauchen sie geschlagene 75 Minuten für den Umbau, weil sie nachmittags so ziemlich alle Wege, die man falsch stecken konnte, falsch gesteckt haben. Nicht so toll für uns, zumal wir sowieso ja schon große Bedenken hatten, mitten in der Woche erst um 23 Uhr auf die Bühne zu gehen. Dementsprechend schiebt sich unser Auftritt nach hinten, unsere Crew schlägt durch tatsächlich professionelles Arbeiten wieder ein paar Minuten raus, aber irgendwie ist der Wurm drin: Zum gewohnten Schlagzeugbeat von „Nemm mich met“ erklingt Helmuts Gitarrenintro, und jeder erkennt unmittelbar, dass seine Gibson dermaßen verstimmt ist, dass man nur noch abbrechen und mit einer anderen Gitarre neu anfangen kann. Aber auch die zweite erinnert verdächtig an „Stones in the Park“, also bleibt nichts anderes übrig, als nochmal abzubrechen und den dritten Versuch zu starten, der dann glücklicherweise von Erfolg gesegnet ist. Das einzig Erfreuliche an dieser Situation ist, dass wir tatsächlich die Nerven behalten haben und der Gig von da an in geordneten Bahnen verläuft. Wieso so etwas passieren kann, ist nicht wirklich zu erklären, vielleicht hat Carsten, Helmuts Backliner, vor lauter Umbauhektik versäumt, die Gitarre (die bei „Nemm mich met“ mit Kapo im 2. Bund gespielt wird) noch einmal im letzten Moment vor der Show zu checken, oder die Temperaturverhältnisse haben sich ausgewirkt, oder irgendwer ist mit den Mechaniken irgendwo gegengestoßen. Dass die Ersatzgitarre dann auch nicht stimmte, ist einigermaßen erklärbar, denn auf die Schnelle eine Klampfe mit Kapo zu stimmen, ist einigermaßen schwierig, vor allem, wenn die ganze Zeit über das Schlagzeug allein auf weiter Flur weiterzimmert. Schon tragisch sowas, vor allem, wenn man bedenkt, dass Helmut, um Verstimmungen zu vermeiden, seit Jahren nach so ziemlich jedem Song das Instrument wechselt. Nun gut, kriegen einen verhältnismäßig ordentlichen Kurzprogramm-Gig hin, da fällt es dann fast auch gar nicht mehr großartig ins Gewicht, dass die in Open G gestimmte schwarze Telecaster, die Helmut bei „Diego Paz“ spielt, erneut verdächtig nach „Stones in the Park“ klingt und wir ein weiteres Mal außerplanmäßig unterbrechen müssen, denn da sind wir nervenmäßig längst wieder in der Spur und hätten zu diesem Zeitpunkt vermutlich auch eine Büffelherde auf der Bühne verkraftet. Aber zu deuteln gibt’s da nichts: Das war maximal ein Arbeitssieg. Ein Home Run geht definitiv anders. („Stones in the Park“ war übrigens der erste Gig der Rolling Stones nach Brian Jones‘ Tod im Londoner Hyde Park, viele Jahre vor Erfindung des Stimmgeräts. Gibt’s bestimmt auf You Tube. Anspieltipp: „Honky Tonk Women“.)

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