Rebound
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Warme Worte

..und hier nun die warmen Worten zu den einzelnen Songs der DYLANREISE, wie angedroht. ?

SINNFLUT

Ein typischer Song aus meinem Kneipen-Repertoire, inspiriert vom „Talkin`Bear Mountain Picnic Massacre-Blues“, einem Outtake von Dylans Freewheelin`-Album. Geschrieben im Sommer 1977, nach der sogenannten „Mescalero Affäre“. Das Begriffspaar „Klammheimliche Freude“ war plötzlich in aller Munde und eignete sich somit hervorragend für die Pointe.

THE TIMES THEY ARE –A- CHANGIN`

Im Vorfeld auf unserer Reise auf Dylans Spuren hatte wir beschlossen, dass ich bei Bedarf das eine oder andere Lied anspielen würde.„Times“ war der erste dieser Songs, den ich bei Sonnenaufgang vor dem Lincoln Memorial performen sollte. Und zwar völlig übermüdet, weil wir erst am Vorabend in Washington gelandet waren. Bob Dylan war hier gemeinsam mit Joan Baez im August 1963 beim „Marsch auf Washington für Arbeit und Freiheit“ aufgetreten, bevor Martin Luther King seine legendäre „I have a dream“ – Rede gehalten hatte.

VILL PASSIERT SICKHER

Im Oktober 1992 waren Tina und ich nach New York geflogen, um im Madison Square Garden das Konzert anlässlich Dylans dreißigstem Bühnenjubiläums mitzuerleben. Mein persönlicher Höhepunkt war, als sich Roger Mc Guinn, Tom Petty, Neil Young, Eric Clapton und George Harrison mit dem Jubilar die Strophen von „My Back Pages“ aufteilten. Wann immer ich diese Version höre merke ich, dass meine Augen feucht werden.     

WIE `NE STEIN

„Like A Rolling Stone“ war der Song, der mich auf die Idee brachte, selbst Lieder zu schreiben. Bis dahin hatte ich Bass in meiner Schülerband gespielt. Unser damaliger Sänger brachte die Single mit zu seinem letzten Gig, weil er sich danach auf das Abitur konzentrieren wollte. Den Text hatte er vorsorglich schon mal rausgehört und aufgeschrieben. Ein Song wie ein Blitzeinschlag. Von da an war für mich nichts mehr wie bisher.

LEEV FRAU HERRMANNS

Ein Lied, an das ich ewig nicht mehr gedacht hatte. Zufällig bin ich im vorigen Jahr in meinem Archiv auf diesen Text gestoßen und habe dann auch erstmalig die beiden Zahlen aus der ersten Strophe zusammengezählt. Dabei kam 1976 raus und ich musste feststellen, dass es sich offensichtlich um meinen ersten kölschen Song handelte. 

Ich hatte ihn während meines Zivildienstes als Geburtstagständchen für eine 93 jährige Besucherin unserer Altentagesstätte geschrieben. Bisher war ich immer fest davon überzeugt, dass „Helfe kann dir keiner“ mein Erstlingswerk wäre, aber „Helfe“ ist definitiv erst 1977 entstanden.

WITH GOD ON OUR SIDE

Dylan hat dieses Lied nach der Cuba-Krise, in der Hochphase des kalten Krieges geschrieben. Als Parforce-Ritt durch die amerikanische Geschichte, wo in sämtlichen Kriegen behauptet wurde, man habe Gott auf seiner Seite. Der Spruch stand übrigens auch auf den Koppelschlössern der deutschen Wehrmacht. Neun Strophen hat der Song, wir haben in unserem Programm eine Kurzfassung gespielt, die nach dem 2.Weltkrieg endet. Ich kann mich noch gut dran erinnern, dass ich in meiner Verhandlung zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer neben Remarques Roman „Im Westen nichts Neues“ auch mit diesem Songtext argumentiert hatte. 

ONE MORE CUP OF COFFEE

Das Album „Desire“ hatte mich nach ungefähr fünf Jahren doch nochmal auf Dylan aufmerksam gemacht. Nach einigen halbgaren LPs hatte ich irgendwie das Interesse an ihm verloren, bis mir ein Zivildienstkollege das soeben erschienene Album vorspielte und danach auch noch den Vorläufer „Blood On The Tracks“. Diese beiden Platten haben bewirkt, dass ich wieder vermehrt zur Gitarre griff. Das prägende Soloinstrument auf „Desire“ ist die Geige. Auf unserer Dylanreise hatte ich mich mit David Mansfield, dem Multiinstrumentalisten der „Rolling Thunder Review“ (der Tour zu „Desire“)in einem Instrumentenladen im Village verabredet, um „One More Cup Of Coffee“ zu spielen. Für unser Programm hat Mike kurzentschlossen das Flamenco-Piano erfunden.

YOU AIN`T GOING NOWHERE

Als wir auf unserer Dylanreise in Woodstock Station machten, haben wir unter anderem auch  „Big Pink“, in den Wäldern von West-Saugherties einen Besuch abgestattet. 

Ein unscheinbares rosa gestrichenes Holzhaus, in dem Rock `n`Roll – Geschichte geschrieben wurde, als Dylan mit seiner Band dort im Jahr 1967 Unmengen von Demos aufnahm, von denen Jahre später einige unter dem Titel „Basement Tapes“ erschienen sind. Mit dem Gitarristen und Sänger Happy Traum, der Dylan dabei half, vier Jahre später „Goin`Nowhere“ noch einmal für sein zweites Big Hits-Album aufzunehmen, hatte ich mich am Originalschauplatz verabredet, um diesen Song für unsere Doku aufzuzeichnen.

QUINN, DÄ ESKIMO

Als wir während unserer Tour auf der Bremer Seebühne spielten, dachte ich beim Soundcheck darüber nach, dass ab Mitte der sechziger Jahre hier in Bremen der legendäre Beat-Club aufgezeichnet wurde. Da, wo es vorher im Fernsehen nur den „Blauen Bock“ gab, spielten auf einmal all die Bands, die wir bis dahin nur aus dem Radio kannten. Eine dieser Bands, namens „Manfred Mann“ hatte gerade einen Welthit mit einem Song, der aus Dylans Big Pink-Session stammte. Ich weiß noch, wie perplex ich war, weil Klaus Voormann, der Bassist offensichtlich in der Lage war, gleichzeitig Bass und Querflöte zu spielen. Anscheinend hatte mir noch keiner gesteckt, dass es so was wie Playback gab und diese Gleichzeitigkeit nur eine Frage geschickter Kameraschnitte war. Jedenfalls haben wir das Lied beim Soundcheck angetestet, abends beim Konzert ins Programm genommen und seitdem allabendlich mit großem Vergnügen gespielt.

WO DÄ NORDWIND WEHT

„Girl From The North Country“ war der allererste Dylantext, den ich jemals übersetzt habe. In seinem Geburtstort Duluth, am Lake Superior, hatten wir uns mit der ortsansässigen Singer/Songwriterin Sarah Krueger in einer zum Studio umgebauten Kirche verabredet, um diesen Song als Duett aufzunehmen. Sie erklärte mir damals, dass man Dylans Lieder ihre Abstammung anmerke. Hier oben an der kanadischen 

Grenze seien die Menschen schon allein wegen der langen, furchtbar kalten Winter weniger euphorisch. Aber seine Lieder seien irgendwie heilsam, findet sie. 

MAN IN THE LONG BLACK COAT

An unserem letzten Tag in New Orleans wollte ich noch unbedingt in das Insel-Gewirr namens Delacroix vor den Fluttoren der Stadt, ins Mississippi-Delta. Dylan hatte den Ort in seinem Song „Tangled Up In Blue“ erwähnt. Irgendwo hier wollten wir auch mein Lieblingslied vom „Oh Mercy“-Album, das Dylan nach einem Motorrad Trip durch diese Bayous geschrieben hatte, für unsere Doku aufnehmen. In seiner Autobiografie „Chronicles“ schreibt er: „Der Text will von jemandem erzählen, dem sein eigener Körper nicht gehört, von jemandem, der das Leben geliebt hat, aber nicht mehr weiterleben kann, und es nagt an seiner Seele, dass andere leben dürfen.“

ONLY A HOBO

Unterwegs vom Flughafen in die Innenstadt von San Francisco bemerkten wir die Unmengen von Obdachlosen, die in diesen Abendstunden dabei waren, auf den breiten Bürgersteigen Platte zu machen. Mir fällt ein weiterer Outtake-Song vom „Freewheelin`“-Album ein, den Rod Stewart später auf seinem Album „Gasoline Alley“ gecovert hat. „Only A Hobo“ hatte ich damals im Hinterkopf, als ich am Text für „Jupp“ arbeitete.

LEOPARDEFELLHOOT

Im Original heißt das Stück „Leopard-Skin Pill-Box Hat“. Eins der beiden Lieder, die er für Edie Sedgwick, einem It-Girl aus der Warhol Clique schrieb.  (Das zweite war „Just Like A Woman“.) Auf meinem zweiten Soloalbum hatten wir eine indianisch anmutende Version, die vor allem durch das Klavier-Intro dermaßen exotisch rüberkam, dass wir sie zum Titelsong des Albums auserkoren. Wir haben uns damals köstlich über das Leopardenfell-Klischee amüsiert, das immer dann strapaziert wird, wenn etwas besonders verwegen, sexy oder rockig daherkommen soll.

SCHLUSS, AUS, OKAY

Wie eigentlich immer, wenn wir im Verlauf unserer Dylanreise im Begriff waren in die nächste Stadt zu fahren, hätte ich diesmal auf dem Weg von San Francisco nach Los Angeles darüber nachdenken können, was ich in meinem bisherigen Leben in L.A. erlebt hatte. Aber die näheren Umstände ließen es nicht zu, auf diesem Nightride irgendwelche klaren Gedanken zu fassen, die nicht mit meinen Überlebensinstinkten zu tun hatten. Anyway: Nach unserer Ankunft im Morgengrauen, beim Einschlafen im endlich gefundenem Hotelbett, kam mir dann der Dreh unseres „Schluss, Aus, Okay“-Videos in den Sinn, den Wim Wenders netterweise in seiner damaligen Wahlheimat anberaumt hatte. Ein Metadonprogramm der ganz besonderen Sorte, denn sein BAP-Film „Viel passiert“ war definitiv im Kasten, aber mir fiel das Loslassen ausgesprochen schwer.

Am liebsten hätte ich immer weitergedreht.

JUST LIKE TOM THUMB`S BLUES

In Los Angeles haben wir Dave Stewart besucht, mit dem wir Anfang der 90er eine wunderbare Festival Tour gespielt hatten. Dave ist mit Bob befreundet, so dass er auch eine Menge lustiger Geschichten auf Lager hat. In seinem Loft mit Blick auf das Hollywood Sign gibt es ein hervorragend bestücktes Studio, in dem wir beide 

„Just Like Tom Thumb`s Blues“ aufgenommen haben. Wir mussten beide grinsen, als er die Strophe sang, in der eine gewisse „Saint Annie“ vorkommt. Annie Lennox, seine Partnerin bei den Eurythmics, konnte Dylan 1965 allerdings noch nicht gemeint haben.

FÜR IMMER JUNG

Ein wunderschönes, schlichtes Lied, das Dylan für einen seiner Söhne geschrieben hat, als er nach dem Umzug nach Woodstock wieder zu sich selbst gefunden hatte.

Allen Ginsberg, der große Beat-Poet und Dylan-Mentor hat gesagt, jedes Kind, in jeder Schule, in jedem Land solle diesen Song an jedem Morgen singen, denn er fordert die Menschen auf, die Wahrheit zu finden.

SONGS SINN DRÄUME

Ganz am Schluss des Programms haben wir ein BAP-Lied gespielt, das von einer kurzen Passage aus „Chronicles“ inspiriert wurde, die unter anderem auch erklärt, wie es zu all diesen Songs kam und wieso er sich seit Ende der 80er auf einer „Never Ending-Tour“ befindet: Songs sind wie Träume, die man wahrzumachen versucht. Sie sind wie fremde Länder, die man bereist. Man kann überall Songs schreiben, Im Zug, auf einem Boot, beim Reiten – Bewegung ist hilfreich.Manchmal schreiben Leute mit dem größten Talent zum

Songwriting keinen einzigen Song, weil sie sich nicht bewegen.

KNOCKIN`ON HEAVEN`S DOOR

Als Zugabe haben wir ab und zu Dylans Lied aus Sam Peckinpahs Film „Pat Garret jagt Billy the Kid“ gespielt, mit dem Jahrzehnte später Guns`n`Roses auch nochmal einen Hit hatten. Jüngere Menschen sind oftmals der Überzeugung, deren Version sei das Original. Unglaublich mit wie vielen Kollegen wir dieses Lied schon als Finale gespielt haben.

Von Rory Gallagher über Eric Burdon bis hin zu Joseph Beuys, der den Song zwar nicht kannte, aber immer schön brav „Knock, knock, knock“ mit der entsprechenden Handbewegung beisteuerte.

WEIHNACHTSBLUES

Bob Dylan hatte völlig unerwartet 2009 ein X-Mas-Album mit klassischen, amerikanischen Weihnachtsliedern rausgebracht, dessen Erlös er u.a. dem „World Food Program“ spendete. Darauf ein Song, den Dean Martin Anfang der 50er Jahre gesungen hatte. Wo er allerdings noch den schmalzend ironischen Crooner gab, interpretiert Dylan ihn so roh und so unprätentiös, als habe er ihn selbst geschrieben.  Vor ein paar Jahren habe ich diesen Text ins Kölsche übertragen und gegen Ende unserer Tour, als Weihnachten immer näher rückte, haben wir das Lied regelmäßig als Rausschmeißer gespielt.

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